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KAPITEL DREI
DALLDORF (WITTENAU)

10.000 Jahre ... so lange gibt es bereits Anzeichen von Menschen auf dem Gebiet von Wittenau. Dies belegen archäologische Funde. So hinterließen beispielsweise Menschen der jüngeren Steinzeit um 3.000 v. Chr. zwei Steinbeile.

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Oranienburger Straße Ecke Alt-Wittenau im Jahr 1958
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Postamt Wittenau im der Oranienburger Straße
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Rathaus mit Ersnt-Reuter-Saal 1958
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Historisches Foto mit der Kutsche der Landbrotbäckerei
1861 hatte Dalldorf fast 500 Bewohner – und einen eigenen Männergesangsverein namens „Concordia“. Dieser wurde 1859 gegründet und existiert noch heute. 1875 wurden in der Dorfschule 120 Schüler unterrichtet, das Schulhaus dann im Jahr 1892 aufgestockt, sodass alle 359 Schüler drin Platz hatten. Die Dorfschule wurde 1944 bei einem Bombenangriff zerstört.
 
Immer noch dominierten Wald- und Heidelandschaft Dalldorf Ende des 19. Jahrhunderts, doch mit der verkehrstechnischen Erschließung an die Strecke Berlin – Tegel durch die Pferde-Eisenbahngesellschaft wurde das Dorf interessant für Berliner. Und so entstanden weitere Wohnhäuser und sogar Industriebetriebe, unter anderem die Maschinenfabrik Herbert Lindner und Dittmann Fahrzeugbau. Letztere war 1823 gegründet worden und zog 1916 an die Lübarser Straße. Lindner beauftragte 1932 den namhaften Architekten Martin Punitzer mit der Gestaltung der markanten Fabrik in der Lübarser Straße 8 im Stil der Neuen Sachlichkeit. Dieser musste jedoch als Jude vor der Fertigstellung des Gebäudes aus Deutschland fliehen.

Daneben gab es die Maschinenfabrik Max Hensel und Emil Korsch, die ebenfalls in Wittenau ansässig war. Auch heute noch produziert die Korsch AG Tablettenpresse im Bezirk Reinickendorf, zog allerdings 1990 von Wittenau nach Borsigwalde.

Das repräsentative Rathaus entstand unweit des Dorfangers. Dessen Grundstein wurde 1910 gelegt, und die Einweihung erfolgte am 13. Mai 1911. Seit der Bildung Berlins im Jahr 1920 dient das rote Backsteingebäude mit seinem 55 Meter hohen Turm als Rathaus des Bezirks Reinickendorf. Es wurde 1950 um einen Neubau und 1957 um den Ernst-Reuter-Saal als Veranstaltungsort erweitert.
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10.000 Jahre ... so lange gibt es bereits Anzeichen von Menschen auf dem Gebiet von Wittenau. Dies belegen archäologische Funde. So hinterließen beispielsweise Menschen der jüngeren Steinzeit um 3.000 v. Chr. zwei Steinbeile.

Von der ursprünglichen Landschaft ist aufgrund der intensiven Bebauung nicht mehr viel sichtbar. Nördlich der Gorkistraße existiert eine Bodenerhebung: der Wittenauer Steinberg. Es handelt sich dabei um den Rest einer Grundmoräne aus der jüngsten Eiszeit vor mehr als 20.000 Jahren. Die Anhöhe im am Engelroder Steig wurde früher „Gottesberg“ genannt und ist das Überbleibsel einer Wanderdüne. Der einst dichte Wald ist verschwunden, die Wittenauer Heide in Borsigwalde wurde als letzte Waldfläche im Jahr 1920 abgeholzt.

Doch auch wenn die Landschaft sich stark verändert hat, finden sich noch Spuren früher Besiedlung. Dazu gehören die gefundenen Urnen von zwei Gräberfeldern mit Schmuck aus Bronze und ein Urnenfriedhof der Illyrer von vor etwa 3.000 Jahren.

Der heutige Dorfanger stammt aus der Zeit um 1230, als Wittenau unter dem Namen Daldorph – was so viel heißt wie Taldorf – besiedelt wurde. Seine ursprüngliche Form ist heute noch erkennbar und hat sich kaum verändert. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Dalldorf im Jahr 1322. Die Dorfgründung wurde im Auftrag der Markgrafen Johann I. und Otto II. von so genannten Lokatoren durchgeführt. Sie warben in den Niederlanden und im dicht bewohnten westlichen Deutschland Siedler an.

Die neuen Siedler legten ihren neuen Wohnort als Angerdorf an – mit Kirche, Friedhof und zwei Teichen, die einerseits als Löschteich und andererseits als Viehtränke dienten. Schließt man die Augen kann man sich leicht vorstellen, wie die Rinder, Schafe und möglicherweise auch Ziegen hier auf dem grünen Platz gesammelt wurden, bevor man sie auf die umliegenden Weiden trieb.
 
Vieh ist auf dem Anger heute nicht mehr vorhanden. Dafür blühen im Frühling Hunderte von Osterglocken und Krokusse und tauchen den Dorfanger in eine gelb-violette Farbenpracht. Mittendrin: das älteste noch existierende Bauwerk – die Feldsteinkirche aus dem 15. Jahrhundert mit einem barocken Kanzelaltar aus dem 16. Jahrhundert und Glocken von 1484 und 1583. Vom alten Kirchhof sind noch einige Grabmäler erhalten, darauf sind unter anderem die Namen Hausotter und Witte zu lesen.

Der Dorfkrug und die Schmiede befanden sich im östlichen Bereich des Dorfangers. Quer über den Anger verlief im Mittelalter die Handelsstraße zwischen den Städten Spandau und Bernau. Auch heute verläuft
eine Straße quer hindurch: der Eichborndamm. Die Straße erinnert heute an ihre ursprüngliche Dorfstruktur mit den alten Höfen der Bauern und dem Hirtenhaus am östlichen Dorfausgang.

Vor allem der Dreißigjährige Krieg setzte dem Dorf schwer zu: Durchziehende Soldaten zerstörten Dalldorf fast komplett. 1652 konstatierte der Landreiterbericht, dass nur eine einzige Dalldorfer Familie den Krieg überlebt hat. Es handelte sich dabei um die Familie des Krügers Heinrich Feuer. Der Feuerweg erinnert heute noch an ihn.

Es gab neue Zuzüge, und so wohnten bald darauf wieder sieben Familien im Dorf. Der König in Preußen, wie der Kurfürst nun hieß, setzte als Dorfherren den Zuwanderer Joachim Rosentreter ein. Die Dorfkinder wurden vom Küster in seinem Küsterhäuschen unterrichtet. Es befand sich auf dem heutigen Grundstück Alt-Wittenau 62-63. Ein eigenes Schulhaus wurde dann im Jahr 1780 neben der Kirche gebaut. Um 1800 entstanden die ersten Häuser außerhalb des bisherigen Dorfkerns, unter anderem die Schmiede und zwei Landarbeiterhäuser am Triftweg.

Um 1805 wohnten in Dalldorf 176 Menschen. Ein Gebäude aus dieser Zeit, das noch vorhanden ist, ist das Haus in Alt-Wittenau 66. Es ist nach der Kirche das zweitälteste Gebäude des Dorfes.

Bis 1830 praktizierten die Dorfbewohner die Dreifelderwirtschaft auf dem Steinbergfeld an der Gorkistraße, dem Windmühlenfeld undweit der Lübarser und Hermsdorfer Straße und dem Wolfsgartenfeld zwischen Holzhauser und Oranienburger Straße. 1844 kaufte der Schäfer Joachim Christian Witte das heutige Grundstück Alt-Wittenau 55 und zog mit seiner Familie ein. Sein Sohn Peter wurde im Jahr 1854 im Alter von nur 32 Jahren Dorfschulze. Nach seinem Tod wurde Dalldorf umbenannt – in Wittenau.
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Kirche Wittenau
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