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KAPITEL FÜNF
REINICKENDORF

Eine Kopfsteinpflasterstraße rechts und links und in der Mitte die Feldsteinkirche: Blickt man nur von oben auf den Dorfanger, so sieht er auch heute noch wie am Ende des 15. Jahrhundert aus – einzig und allein muss man sich den Kirchturm wegdenken.

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Schulgebäude im Jahr 1912

So verwandelte sich das Bauerndorf nach und nach bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in einen wichtigen Industriestandort.

Einige Häuser stehen noch heute, etwa das große Gebäude Alt-Reinickendorf 38. Es war das alte Amtshaus der Landgemeinde Reinickendorf, zuvor befand sich hier ein im Dreißigjährigen Krieg zerstörter Bauernhof.

Die ehemalige Schraubenfabrik A. Schwarzkopff befand sich in Alt-Reinickendorf 25-27. Dort stand zuvor ein Bauernhof, später ein Kossätenhof. Doch nach Abriss der Gebäude ließ Schwarzkopff den heutigen gelben Fabrikbau auf dem hinteren Gelände am Freiheitsweg bauen. Auch die Sandbläserei Gebrüder Polenz in Alt-Reinickendorf 35, die Turbon Werke in Alt-Reinickendorf 28-29, renommierter Hersteller von lüftungstechnischen Anlagen, und die Maschinenfabrik Prometheus auf dem Grundstück Alt-Reinickendorf 23-24, die sich der Herstellung von „geschnittenen Zahnrädern“ und bald auch ganzer Getriebe und Hinterachsen für die Automobilherstellung, widmeten, waren rund um den Anger angesiedelt.

Der Friedhof am Freiheitsweg war der dritte Begräbnisplatz der Landgemeinde Reinickendorf. Heute befindet sich hier eine Kriegsgräberstätte, der „Ehrenfriedhof der Opfer von Krieg- und Gewaltherrschaft“. Von den ursprünglichen Gräbern blieben nur das des ehemaligen Bürgermeisters Friedrich Wilke und dessen Frau, der erheblichen Anteil an der industriellen Entwicklung des Dorfes hatte, sowie Rudolf Süss, einem Unternehmer der ersten Stunde. Besucht werden die Gräber immer wieder von Füchsen, die sich hier in der Umgebung angesiedelt haben.

Wer durch den alten Dorfkern spaziert, wird bald merken: Die vor über hundert Jahren von den Reinickendorfern erhoffte Metamorphose vom Dorf zum Industrieviertel, wie etwa im Wedding, blieb weitestgehend aus. Und deshalb blieb der dörfliche Charakter rund um den historischen Dorfanger auch weitestgehend erhalten.

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Eine Kopfsteinpflasterstraße rechts und links und in der Mitte die Feldsteinkirche: Blickt man nur von oben auf den Dorfanger, so sieht er auch heute noch wie am Ende des 15. Jahrhundert aus – einzig und allein muss man sich den Kirchturm wegdenken. Der kam erst 1713 dazu. Aber das grobe Feldsteinmauerwerk und die wohl zum Abschluss der Bauarbeiten angeschaffte Kirchenglocke mit der Jahreszahl 1491 deuten darauf hin. Drumherum war der Wald bereits gerodet und drei Felder zur damals üblichen Dreifelderwirtschaft angelegt, an deren Ackerstreifen jeder Bauer Anteile hatte.

Doch Reinickendorf wurde schon früher erwähnt: Es wurde um 1290 als Angerdorf gegründet, als die Markgrafen von Brandenburg den Barnim nördlich von Berlin planmäßig mit Bauern aus dem Westen Deutschlands besiedelten. Allerdings wurde das Dorf erstmals 1345 urkundlich erwähnt.

Reinickendorf war sehr überschaubar – man nimmt an, dass bei der Gründung des Dorfes etwa 15 Bauern und 16 Kossäten dort ansässig waren. Die Zahl nahm allerdings während der Pestepidemie um 1350 und der anschließenden Wirtschaftskrise wieder ab: 1581 stehen auf der ersten erhaltenen Bauernliste lediglich elf Bauern und sechs Kossäten. Und selbst 45 Jahre später waren es nur 13 Bauern und sechs Kossäten. Dann kam der Dreißigjährige Krieg, bei dem das Dorf derart zerstört wurde, dass danach laut dem Landreiterbericht von 1652 gar kein Bauer und nur noch fünf Kossäten übrig waren. Aufgegeben wurde der Ort jedoch nicht. Im Gegenteil: Es begann eine stärkere Besiedlungsphase, und 1880 hat der Ort bereits 5.200 Einwohner. Einige Bauern verkauften ihre Ländereien an Kirchen als Friedhofsland, verpachteten sie aber auch an Laubenpieper oder veräußerten sie an Industriebetriebe.
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